Hugo Distler: Totentanz
(1908 - 1942) Motette
zum Totensonntag
für vierstimmigen Chor a capella
Leonhard
Lechner: Deutsche Sprüche von
Leben und Tod
(um
1550 - 1606) für
vierstimmigen Chor a capella
Vic Nees: Bonum est confiteri
Domino
(geb. 1936) für Tenor solo,
gemischten Chor,
Harfe und Schlagzeug
Mitwirkende:
Tenor: Tilman
Lichdi
Harfe: Nicole
Müller
Schlagzeug: Bernd
Kremling
Flöte: Monika
Leicht
Sprecher: Clemens
Tangerding
Johannes Reichart
Monika Hofmann
Zu den Werken:
Hugo Distler, 1908 in Nürnberg geboren und
1942 in Berlin freiwillig aus dem Leben geschieden, kann in gewisser Weise als
Anreger und Erneuerer auf dem Gebiet der Chormusik gelten. Sein sehr eigener
Stil gründet auf einer Durchdringung historischer Gattungen mit modernem Geist
und Empfinden, was sich vor allem in der eigenwilligen rhythmischen und
klanglichen Faktur seiner Werke zeigt. Der 1934 entstandene „Totentanz“ enthält
neben den 14 Spruchversen aus dem „Cherubinischen Wandersmann“ des Angelus
Silesius, die Distler vertont hat, noch weitere, gesprochene Verse, die von
Johannes Klöcking den teilweise verlorengegangenen niederdeutschen Strophen des
Lübecker Totentanzes nachgebildet worden sind. Zur Musik schreibt Distler im
Vorwort : „Was die Vertonung anlangt, so mag der Kundige unschwer in Textwahl,
Anlage, Länge und Anzahl der Sätze, in Stimmlage, -umfang und -zahl, vielleicht
darüber hinaus auch in der Wort- und Sinngestaltung das mächtige Vorbild der
Leonhard Lechnerschen „Sprüche von Leben und Tod“ erkennen.“ Und weiter : „Als
künstlerisches Gestaltprinzip ergab sich, ganz aus dem Wesen der gedrungenen
Spruchdichtung heraus, größtmögliche Mannigfaltigkeit in der Erfindung unter
bewusstem Verzicht auf ausgesprochene Durchführungsarbeit, daher die scharfen
Kontraste, die präzise Formung des augenblicklichen Stimmungsgehaltes, die
gedrängte, aphoristische Kürze. Nur wenige der kleinen Sätze begnügen sich mit
der Durchführung nur eines beherrschenden Satzmotivs; besonders typisch für diese
Art Gestaltung etwa ein Satz wie der fünfte Spruch, den ich "Frau
Welte" zu überschreiben geneigt wäre nach der bekannten Statue an der St.
Sebalduskirche zu Nürnberg - eine nackte Frauengestalt von blühender Schönheit
: so scheint Frau Welt dem Beschauer entgegenzutreten; ihr Rücken aber ist von
Schlangen und Würmern zerfressen, ein Bild der Vergänglichkeit. Wie anders wäre
sonst darstellbar jener gespenstische Reigen, jene "Passacaglia" im
wahrsten Sinne des Wortes, zu deren phantastisch bunten, unabsehbaren
"Veränderungen" immer der gleiche "Ostinato" den Takt
schlägt : "Heint frisch, wohlmechtig, gsund, schön und prächtig; morgen
verdorben, tot und gestorben?“
Mit dem abschließenden
Zitat des 4. Teils der "Deutschen Sprüche" stellt Distler noch einmal
den direkten Bezug zu dem etwa 350 Jahre älteren Leonhard Lechner her. Lechner, aus dessen Leben genauer nur die späteren Stationen in
Nürnberg und endlich als Hofkapellmeister in Stuttgart bekannt sind, wird
leider noch immer viel zu wenig beachtet. Am Ende seines Lebens schrieb er
diesen, wie Friedrich Blume meint, genialsten Totentanz, den die
Musikgeschichte kennt. Der Text handelt zunächst eindringlich von der
Unbeständigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen, um dann den Blick auf
"Gott den Herren" zu lenken, der allein "ewig Freuden" und
Seligkeit schenken kann. Die technische Vollkommenheit und die expressive Kraft
der Lechnerschen Musik ist nicht nur für seine Zeit
ohne Beispiel. In 15 kurzen, streng motettisch gearbeiteten Teilen wird musikalisch
ungemein plastisch und sinnfällig der oben beschriebene Weg aus der Gefährdung
zu Geborgenheit nachgezeichnet. Der Reichtum an eindringlichen Motiven
rhythmischer und melodischer Art scheint unbegrenzt, und jeder Teil bildet für
sich genommen bei aller Kürze ein gültiges Ganzes.
Vic Nees wurde 1936 in Mechelen (Belgien) geboren. Er ist Programm- und
Chorleiter beim Belgischen Rundfunk und zählt zu den namhaftesten
Chorkomponisten mit internationaler Anerkennung. An seiner Vertonung des 92.
Psalms fällt zuerst die ungewöhnliche Besetzung auf. Seine musikalische Frische
und Lebendigkeit verdankt dieses Werk aber in erster Linie einer konsequenten
Beschränkung der Mittel auf wenige rhythmische, melodische oder harmonische
Grundmodelle, mit denen aber sehr sicher und effektvoll gearbeitet wird.
R.D.
Texte:
Hugo Distler: Totentanz
(Texte der 14 gesungenen Spruchverse):
Verschmäh die Welt, daß du sie tausendfach bekömmst!
Im Himmel ist der Tag,
im Abgrund ist die Nacht.
Hier ist die Dämmerung : wohl dem, der's recht betracht!
(Prolog Tod)
Was trotz'st du dann so
viel auf ihre Herrlichkeit?
(Dialog Kaiser - Tod)
So laß die Welt und
dich zur linken Seite stehn!
(Dialog Bischof - Tod)
Und dann die Ewigkeit : du würdst nichts Böses tun!
(Dialog Edelmann - Tod)
Er bind't und hält dich
auf, wie gut er's immer meint.
(Dialog Arzt - Tod)
Daß er muß mit Verlust von seinem Reichtum ziehn?
(Dialog Kaufmann - Tod)
Wo du willst ew'ge Ruh und ew'gen Frieden finden!
(Dialog Landsknecht -
Tod)
Das Schiff dein Leib,
die Seel ist's, die nach Hause reist.
(Dialog Schiffer - Tod)
Nicht anders, als wenn
man ins Dunkle sich begeben.
(Dialog Klausner - Tod)
Den müssen z'vor
allhier die Dornen g'nugsam stechen.
(Dialog Bauer - Tod)
Wo man des Augenblicks
nicht kann bereitet sein.
(Dialog Jungfrau - Tod)
So kehr dich nur zu
Gott ins Nun der Ewigkeit!
(Dialog Greis - Tod)
Wird in dem Himmelreich
der schönste Engel sein.
(Dialog Kind - Tod)
Hat keine wahre Ruh in
Dingen dieser Zeit.
Drum ist's
verwunderlich, daß du die Welt so liebst
Und aufs Vergängliche
dich allzusehr begibst.
Der erste Teil
Alles auf Erden stets mit Gefährden
des Falls sich wendet hin und her ländet. (länden = (bildlich) lenken)
Der ander Teil
Auch Sonn, Mond, Sterne,
Witt’rung bewähren
samt den Jahrszeiten
Unbständigkeiten.
Der dritte Teil
Wir Menschen reisen
gleich armen Waisen,
die sind mit Sorgen
ung’wiß, wo morgen.
Der vierte Teil
Heint frisch,
wohlmächtig, g’sund, schön und prächtig
morgen verdorben, tot
und gestorben.
Der fünfte Teil
In Gottes Händen alls
steht zu enden;
sein wir geduldig,
erwarten schuldig.
Der sechste Teil
Gedenk mit nichten,
dich b’ständig z’richten
in die Welt g’fährlich,
drin nichts beharrlich.
Der siebte Teil
Wenn sich erschwinget das
Glück, dir g’linget,
tu nit drauf bauen ihm
z’viel vertrauen.
Der achte Teil
So überfallen dich
Trübsals Qualen,
sei nit kleinmütig,
murrend, ungütig.
Der neunte Teil
Was jetzt im Laufen,
liegt bald zu Haufen,
das kann sich schicken,
all Augenblicken.
Der zehnte Teil
Weil dann so unstet
dies Schiff der Welt geht
so lasst uns denken
wohin zu lenken.
Der elfte Teil
Wir wöllen kehren zu
Gott, dem Herren,
uns nach seim G’fallen
richten in allem.
Der zwölfte Teil
Ihn fürchten, lieben,
sein Wort stets üben.
Er wird erbarmen sich
unser Armen.
Der dreizehnte Teil
Sein Gnad und Güte wird
uns behüten,
trösten, entbinden von
unsern Sünden.
Der vierzehnte Teil
Sein Hand wird retten
aus allen Nöten;
wir leben, sterben,
jetzt nit verderben.
Der fünfzehnte Teil
Nach diesem Leiden, er
ewig Freuden
uns schenkt ohnfehlig.
Dann sind wir selig.
Vic Nees: Bonum est
confiteri domino (Psalm 92)
2 bonum est
confiteri Domino et psallere nomini tuo Altissime
3 ad
adnuntiandum mane misericordiam tuam et veritatem tuam per noctem
4 in
decacordo psalterio cum cantico in cithara
5 quia delectasti me Domine in factura tua;
et
in operibus manuum tuarum exultabo
6 quam
magnificata sunt opera tua Domine
nimis
profundae factae sunt cogitationes tuae
7 vir insipiens
non cognoscet et stultus non intelleget haec
(…)
13 ut palma
florebit ut cedrus Libani multiplicabitur
14 plantati in domo Domini in atriis Dei nostri florebunt
adhuc multiplicabuntur in
senecta uberi et bene patientes erunt
16 ut
adnuntient quoniam rectus Dominus Deus noster
et non est iniquitas in eo.
2 Das ist ein köstlich Ding, dem HERRN danken
und lobsingen deinem Namen, du Höchster,
3
des Morgens deine Gnade und des Nachts
deine Wahrheit verkündigen
4
auf dem Psalter mit zehn Saiten, mit
Spielen auf der Harfe.
5
Denn, HERR, du lässest mich fröhlich
singen von deinen Werken,
und ich
rühme die Taten deiner Hände.
6
HERR, wie sind deine Werke so groß! Deine
Gedanken sind sehr tief.
7 Ein Törichter glaubt das nicht, und ein Narr
begreift es nicht.
(...)
13 Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum,
er wird wachsen wie eine Zeder auf dem
Libanon.
14 Die gepflanzt sind im Hause des HERRN,
werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen.
15 Und wenn sie auch alt werden,
werden sie dennoch blühen, fruchtbar und
frisch sein,
16 daß sie verkündigen, wie der HERR es recht
macht; er ist mein Fels,
und kein Unrecht ist an ihm.