Samstag, 27.März 2004, 20:00 Uhr, Neubaukirche Würzburg:

Requiem

Léon Boëllmann
(1862-1897)

 

Suite gothique  op. 25             

1. Introduction – Chorale
2. Menuet Gothique
3. Prière à Notre Dame
4. Toccata

Maurice Duruflé
(1902-1986)

Quatre Motets
      sur des thèmes grégoriens
      pour chœur a cappella

1. Ubi caritas (4 voix mixtes)
2. Tota pulchra es (3 voix de femmes)
3. Tu es Petrus (4 voix mixtes)
4. Tantum ergo (4 voix mixtes)

Maurice Duruflé

Requiem
      pour chœurs à quatre voix

 

Ausführende :

Rahel Lichdi

Sopran

Uwe Schenker-Primus

Bariton

Sabine Peetz

Orgel

Alexa Roth

Cello

 

 

Collegium Musicum Vocale

 

 

Rudolf Dangel

Leitung


Zu den Werken

Maurice Duruflé (1902-1986) begann seine musikalische Laufbahn an der Sängerschule der Kathedrale von Rouen. Von 1920 bis 1928 studierte er am Pariser Conservatoire u.a. bei Louis Vierne, Charles Tournemire und Paul Dukas. Er beendete sein Studium mit den höchsten Auszeichnungen in Orgelspiel, Improvisation, Harmonie, Fuge, Klavierbegleitung und Komposition. Nach einer Stellvertretung an der Orgel von Notre-Dame übernahm Duruflé 1930 die Verantwortung für die Orgel in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, der er sein Leben lang treu blieb. Von 1944 bis zu seiner Pensionierung 1969 war er Professor für Harmonielehre am Pariser Conservatoire. Ausgedehnte Konzertreisen führten ihn auf die bedeutendsten Orgelbänke in Frankreich, England und Deutschland.

Seit seiner – 1947 von Roger Désormière geleiteten Uraufführung – ist das Requiem Duruflés bekannteste Komposition geworden. Es ist fest in der liturgischen Tradition verwurzelt, was bedeutet, dass der Gregorianische Choral der Totenmesse beinahe in jeden Abschnitt des Werks integriert ist. Duruflé schreibt dazu: „ Das… Requiem basiert gänzlich auf den Themen der gregorianischen Totenmesse. Manchmal habe ich den exakten Notentext übernommen, wobei die Orchesterpartie nur unterstützt oder kommentiert, an anderen Stellen diente er mir lediglich als Anregung… Im Allgemeinen war ich bestrebt, meine Komposition ganz und gar von dem besonderen Stil der gregorianischen Themen durchdringen zu lassen.“ Die ungemein reiche Harmonik ist gekennzeichnet durch warme, leuchtende modale und polytonale Wendungen, eine Vorliebe für Sekund-Schichtungen, Septklänge und starke klangliche Rückungen. Wie selbstverständlich arbeitet Duruflé intensiv kontrapunktisch mit den Choralmelodien.

Der Grundhaltung und dem Textaufbau nach steht sein Requiem ganz in der Nachfolge von Gabriel Fauré. Wie dieser vermeidet Duruflé die apokalyptische Seite des Textes, die starken theatralischen Effekte. Beide  vertonen daher vom „Dies irae“ – traditionell der zentrale Abschnitt der Totenmesse – nur die Schlusszeilen „Pie Jesu, Domine, dona eis requiem“ als Sopran-Solo, und übernehmen aus dem Totenamt das „Libera me“ und das „In Paradisum“. Auf diese Weise entsteht ein sehr intimes, friedvolles Requiem, das vor allem den großen Atem der Jahrhunderte alten Tradition der Gattung spüren lässt.

Wie sich schon im Titel zeigt, sind Duruflés Motetten in noch stärkerem, fast ausschließlichem Maß in ihrer musikalischen Faktur auf den Gregorianischen Choral beschränkt. Sie wurden 1960 dem Direktor des Institut grégorien in Paris, Auguste le Guennant, gewidmet. In der Rhythmisierung der Choralmelodien hält sich Duruflé an das Prinzip des Äqualismus, d.h., dass alle Einzeltöne den gleichen Wert haben. 

R. D.

 

Léon Boëllmann (1862-1897): Suite gothique  op. 25 

Léon Boëllmann wurde am 25. September 1862 in Ensisheim am Oberrhein geboren. Im Alter von 9 Jahren verließ er seine Heimat und trat in Paris in die École de Musique classique et religieuse von Louis Niedermeyer ein. Unter seinen Lehrern und Förderern waren die bekannten Organisten Gustave Lefèvre und besonders Eugène Gigout, der ihn später sogar adoptierte. Schon während seiner Ausbildungszeit erhielt er Auszeichnungen, wie einen Preis im Wettbewerb der Société des Compositeurs für sein Quartett opus 10 und einen ersten Orgelpreis für seine Interpretation von Werken Händels und Bachs. 1881 schloss er die École mit einem Diplom als Organist und einem weiteren als Kantor ab und wurde als organiste de chœr an der Kirche St. Vincent-de-Paul in Paris angestellt. Später bekam er dort die Stelle des ersten Organisten. Nach der Gründung der École d’orgue et d’improvisation durch Gigout, den Boëllmann unterstützte, arbeitete er gleichzeitig als Organist an St. Vincent-de-Paul, als Lehrer an der Schule seines Adoptivvaters und als Komponist.

Sein Orgelspiel und seine Kompositionen waren bei den Zeitgenossen beliebt. Zu seinen frühen Bewunderern zählten Berühmtheiten wie Camille Saint-Saëns. Daneben betätigte er sich auch als Musikkritiker; für die Pariser Zeitschrift L’Art Musical schrieb er unter den Pseudonymen Le Révérend Père Léon und Un Garçon de la Salle Pleyel. Am 11. Oktober 1897 starb Léon Boëllmann im alter von 35 Jahren.

Sein heute bekanntestes Werk ist die Suite gothique op. 25, besonders der letzte Satz, die Toccata. Diese viersätzige Suite wird mit der Introduction in c-Moll eröffnet, einem Choral, gestaltet in einem archaischen, neo-modalen Stil. Darauf folgt das Menuet Gothique, eine kuriose Mischung aus kirchlich-liturgischer Strenge und der Eleganz des achtzehnten Jahrhunderts: Es beginnt mit einem Menuett in C-Dur, das im laufenden Satz durch den Gebrauch von erniedrigten Septimen in den Harmonien immer stärkere modale Züge annimmt. Der kontrastierende mittlere Abschnitt entwickelt sich mit einem munter aufsteigenden Motiv aus gebrochenen Akkorden durch eine Vielzahl von neuen Tonarten und bringt einige kurze Reminiszenzen an den Anfang des Menuetts hervor, bevor eine Reprise des ersten Teils den Satz abrundet. Der dritte Satz, Prière à Notre Dame, steht in As-Dur. Eine wiederkehrende gewundene Melodie der gedackten Register verbreitet eine andächtige Atmosphäre. Darauf antworten drei auf einen romantischen Harmonieverlauf der nicht verwandten Tonarten Des-Dur und E-Dur basierende Passagen.

Die darauf folgende Toccata in c-Moll ist nicht ohne Grund der meistgespielte Satz aus dieser Suite. Brilliante Manualfigurierungen über einem breiten Thema im Pedal sorgen für einen großen Effekt. Das etwas makabre Pedalthema steigt im punktierten Rhythmus bis zur erniedrigten Dominante empor und wendet dabei die Harmonik für einige Takte nach Des-Dur. Kontrastierend dazu erhebt sich im Manual eine rhythmisch-synkopische Melodie, begleitet von dem Halbtonmotiv, das schon zu Beginn des Satzes zu hören war. Nach einigen sich in Dynamik und Intensität steigernden Wiederholungen dieser Elemente in unterschiedlichen Tonarten bringt die Coda schließlich das eröffnende Thema zurück, gespielt in Pedaloktaven im dreifachen Forte – der dynamische und effektvolle Höhepunkt als Abschluss der Suite.

Juliane Peetz